D-Day in der Normandie

Für alle Themen, die mit Frankreich in Zusammenhang stehen und die in keines der anderen Foren passen.
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Eve
Beiträge: 183
Registriert: Dienstag 11. Juni 2002, 20:33
Wohnort: Caen

Dienstag 8. Juni 2004, 14:18

Bonjour,

ich studiere seit einem Jahr in Caen und bin seit 4 Jahren mit einem Franzosen zusammen.
Gestern waren wir bei der Ankunft der Staatschefs am Rathaus und abends am Museum "Memorial" bei der Rede von Herrn Schröder und Herrn Chirac und der Einweihung der Gedenktafel. Hatte sogar die Gelegenheit, den beiden die Hand zu schütteln !!!!

Es gab in Frankreich Diskussionen, ob es richtig ist einen deutschen Staatschef einzuladen. Und selbst englische und amerikanische und kanadische Veteranen (zumindest diejenigen die ich gesprochen oder im Fernsehen gesehen habe) fanden es gut, dass Herr Schröder kommt. Als Zeichen für eine gemeinsame Zukunft. (Es gab auch Diskussionen ob Mitterrand damals Kohl eingeladen hat und wenn ja, warum dieser abgesagt hat).

In der Nähe von Caen gibt es einen Soldatenfriedhof bei la combe mit 21000 deutschen Soldatengräbern. Herr Schröder ist nicht dorthin gegangen weil dort auch SS-Leute begraben liegen. Er ist zu einem Friedhof bei Ranville gegangen, wo deutsche und englische Soldaten begraben wurden.
Ich finde diese Entscheidung richtig, aus Respekt den Veteranen, die in den letzten Tagen hier waren. Es ist ergreifend, die alten Männer zu sehen, die vor Gerührtheit weinen. Viele waren bereit in Schulen zu gehen und den Kindern und Jugendlichen von ihren Erlebnissen zu Erzählen. Seit Anfang des Jahres gab es in jedem grösseren Ort der Normandie solche Veranstaltungen. In 10 Jahren werden viele dieser Erlebnisberichte so nicht mehr möglich sein.
Im Fernsehen gibt es viele Interviews, auch mit deutschen Soldaten. Ein Treffen bei Omaha Beach zwischen einem deutschen und amerikanischen Soldaten wurde organisiert. Deutsch-französische Paare die nach dem Krieg heirateten wurden interviewt.

Im Allgemeinen wird die Einladung und Annahme der Einladung Schröders als positives Zeichen empfunden.

Dabei ist zu erwähnen dass die Normandie von den Bombardements hart getroffen wurde, Caen wurde zu 80% zerstört, die Stadt St Lo wurd fast völlig zerstört. 40 000 Alleierte und 60 000 deutsche Soldaten, 20 000 Zivilisten wurden alleine während der Landung und den darauffolgenden Kämpfen getötet.



Man darf auch nicht vergessen, dass frankreichs Regierung in Vichy wärend der Besatzungszeit mir dem Naziregime kollaborierte und Frankreich durch deGaulle, der damals fliehen musste, auf der "Siegerseite" stand. Hauptsächlich waren es die Kommunisten in Paris die den Aufstand organisierten. Dieses Kapitel ist auch für die Franzosen schwierig zu bewältigen. Ich weiss nicht ob es eine deutsche Übersetzung von dem Dokumentarfilm 'Le jour le plus long" gibt, dort wird auch über das Vichy-Regime berichtet.

Abschliessend kann ich sagen, dass es für mich ein ganz ganz besonderes Ereignis war. Und für mich die offizielle Bestätigung, dass Europa die Zukunft ist und die Vergangenheit uns lehrt, dass wir eine bessere Zukunft gemeinsam gestalten können!


Viele Grüsse aus Caen,

eve
Pariser
Beiträge: 287
Registriert: Dienstag 10. Dezember 2002, 11:30
Wohnort: Von der Seine an die Elbe

Mittwoch 9. Juni 2004, 10:24

... na hoffentlich lesen das auch mal die Herren Clement und Sarkozy...

Es ist halt was anderes, zu einem geschichtsträchtigen Termin höflich zusammenzukommen als gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten - an einer gemeinsamen Zukunft wohlgemerkt. Und da, hier in der Alltagspolitik, klaffen leider die realen Abgründe, s.a. die Geschichte der kürzlichen Merger bzw. der gescheiterten Gespräche in der Industrie.

Man muss glaube ich auch nicht viel Französisch verstehen um die Messages der Europa-Wahl Kandidaten Frankreichs zu kapieren...

Na denn: Mahlzeit zusammen.

Pariser
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