Auto-Entrepreneur

Alles zum Thema Leben, Arbeiten, Studieren etc. in Frankreich. (Keine Annoncen)
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Domnik
Beiträge: 3
Registriert: Sonntag 7. Juli 2019, 15:39

Sonntag 7. Juli 2019, 16:52

Ahoi *!


ich plane mittelfristig den Sprung nach Suedfrankreich. Hier in D habe ich beruflich fast alles durch, was man durch haben kann - von Wissenschaft bis Industrie, von Festanstellung bis Selbstaendigkeit. Ich bin Physiker und entwickele hauptsaechlich medizintechnische Geraete und Software (C#,Python,...) - ich gehe mal davon aus, dass diese Qualifikationen auch in (Sued-) Frankreich aktuell ziemlich gefragt sind?

Selbstaendigen wird es in D m.E. (bewusst) schwer gemacht - selbst wenn man 0 Einnahmen hat, muss man monatlich trotzdem fast 400 EUR gesetzliche Krankenversicherung abdruecken - nur mal als Beispiel. Anlaufphasen ohne groessere Ruecklagen sind damit undenkbar.

In vielen Faellen liegt das nicht einmal an den vorhandenen Gesetzen, sondern vielmehr an der Tatsache, dass man in D kaum Chancen hat, seine Rechte tatsaechlich gegen "Big Player" (wie KV oder RV) durchzusetzen.

In den USA haben eine Menge VW-Dieselfahrer sehr ordentliche Entschaedigungen erhalten, in D muss am Ende immer der kleine Mann zahlen, so oder so. Oder er darf seinen Diesel zumindest nicht mehr fahren...

Nun habe ich vom (micro-) auto-entrepreneur in F erfahren. Hat jemand diesen Weg schon erfolgreich bestritten und kann aus erster Hand berichten?

Wie sieht es da aus mit:

1) Krankenversicherung
2) Rentenversicherung
3) Arbeitslosenversicherung
4) Umsatzsteuer
5) Einkommenssteuer
6) Gewerbesteuer
7) IHK-Beitraege
8) etc. etc.

Ich habe etwas hierzu aufgeschnappt in der Art: unter 35000€ Jahresumsatz wird am Ende des Jahres einfach jeglicher Umsatz auf einen Zettel geschrieben, eingereicht und der frz. Staat zieht einen pauschalen Prozentsatz ab - das wars. Keine weitere Buerokratie. Klang viel cooler als in D... Ist das, oder sieht die Realitaet dann doch ganz anders aus?

Persoenliche Meinungen (insbesondere vom klassischen deutschen Besserwisser) interessieren mich weniger - gebt mir bitte lieber selbst erlebte Fakten, Fakten, Fakten... :D


Vielen Dank vorab und Bonsoir
Dominik
Piroschka
Beiträge: 284
Registriert: Sonntag 15. Juli 2012, 16:20

Sonntag 7. Juli 2019, 21:11

Ich bin bin Besserwisser und nicht Bedien-Lakai für Bedingungssteller. Dreist, ganz schön dreist, Herr Physiker.
Stefan31470
Beiträge: 7
Registriert: Freitag 5. Juli 2019, 10:53

Montag 8. Juli 2019, 00:42

Das meine ich aber auch: Wie kann man hier ohne jede Ahnung aufschlagen und Leute, die über jahrelange Erfahrung im Land verfügen, schon einmal prophylaktisch als "Besserwisser" verunglimpfen ? Kommen Sie her, machen Sie sich selbst schlau, um einen tollen Physiker wie Sie wird man sich garantiert schlagen ! Und die paar Kenntnisse im Steuer- und Sozialversicherungsrecht machen Sie doch mit links ! :twisted:
Die Wahrheit ist: Sie dürften allergrößte Schwierigkeiten haben, sich auch nur bei der Basis-Krankenversicherung (gratis) versichern zu lassen, sondern dürfen sich weiterhin in Deutschland freiwillig krankenversichern.

Mit den allerbesten Wünschen
Stefan
Domnik
Beiträge: 3
Registriert: Sonntag 7. Juli 2019, 15:39

Freitag 12. Juli 2019, 12:33

Liebe Leute,


Wenn Sie den "Satz des Anstosses" mal ohne Klammer:

"Persoenliche Meinungen interessieren mich weniger - gebt mir bitte lieber selbst erlebte Fakten, Fakten, Fakten..."

lesen, scheint mir das doch ein faires Anliegen zu sein. Sollte die Formulierung dann noch immer missverstaendlich sein, bitte ich um Entschuldigung - jemanden "verunglimpfen" wollte ich sicher nicht.

Selbst wenn man die Klammer hinzunimmt, und das durch den hinten angestellten Smiley angedeutete Augenzwinkern ignoriert, spricht die Klammer ja allerhoechstens den "klassischen deutschen Besserwisser" an. @Piroschka & Stefan: Sie tauchen in besagtem Satz weder direkt noch indirekt auf - es sei denn, Sie fuehlen sich tatsaechlich zur besagten Klasse zugehoerig.

Es ist aber jedenfalls irgendwie schon Ironie der Geschichte, dass ich mit besagter Formulierung offenbar nun einen Meinungsaustausch in der Art ausgeloest habe, den ich damit eigentlich von vorneherein ausschliessen wollte.

Ich lerne daraus und formuliere das naechste Mal anders. Bis dahin bitte ich um Vergebung.


Gruesse
Dominik
Freigrafschaftler
Beiträge: 9
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2019, 13:41
Wohnort: Besançon, Franche-Comté

Donnerstag 1. August 2019, 21:54

Werter Dominik,
da ich wohl glaube, dass Sie die Forumsmitglieder hier eher aus Versehen als "Besserwisser" bezeichnen, wie wohl wir eben tatsächlich besser als Deutsche im Heimatland wissen, wie Frankreich so funktioniert, will ich mal versuchen, Ihnen eine Antwort zu geben, da ich selbst seit nunmehr zwei Jahren Auto-Entrepreneur bin.
Kurz gesagt ist der Status als Auto-Entrepreneur eine etwas vereinfachte "Selbstständigkeit für Dummies". Ich kann gleich vorweg sagen, dass ich damit nicht gerade reich werde und die mir bekannten anderen Auto-Entrepreneurs es auch nicht gerade sind, aber wenn es einfach nur Ihr Ziel ist, dem Vaterlande den Rücken zu kehren und in der Fremde durchzukommen, ist er sicherlich eine Möglichkeit. Zumindest umgehen Sie damit mögliche Enttäuschungen bei französischen Arbeitgebern, denen Ihr savoir-être nicht passt.
Ich habe etwas hierzu aufgeschnappt in der Art: unter 35000€ Jahresumsatz wird am Ende des Jahres einfach jeglicher Umsatz auf einen Zettel geschrieben, eingereicht und der frz. Staat zieht einen pauschalen Prozentsatz ab - das wars. Keine weitere Buerokratie. Klang viel cooler als in D... Ist das, oder sieht die Realitaet dann doch ganz anders aus?
Im Prinzip ist das so erstmal richtig, wiewohl ich glaube, dass der Höchstwert bei 32.900 € lag, aber da bin ich mir auch nicht mehr so ganz sicher. Ich habe diesen Wert ohnehin nie erreicht und kenne auch niemanden, der das schafft. Ab dann steigen die einem nämlich aufs Dach, dass man zu einen EI (entreprise individuelle) werden soll. Der Steuersatz für die Umsatzsteuer liegt in der Regel bei 25 %, kann je nach ausgeübter Tätigkeit aber etwas schwanken. Hinzu kommen dann noch eventuell Mehrwertsteuern (Taxe de valeur ajoutée TVA). Und es ist auch richtig, dass die Steuererklärung prinzipiell ziemlich einfach ist. Mittlerweise erfolgt sie nicht mehr per Papier, sondern alle drei Monate mit einer Onlineerklärung, aber es ist richtig, dass man da bloß den Umsatz angeben muss und die zu entrichtenden Steuern dann errechnet und schließlich abgebucht werden.

Ich habe keine Vergleichswerte mit Deutschland, da ich dort nie selbstständig war, aber es scheint mir doch wesentlich einfacher zu sein. Im Rahmen eines jüngst von Macron erlassenen Gesetzpaketes sind die Micro-Entrepreneurs nun auch in derselben Sozialversicherung, wie die Angestellten, haben Anspruch auf bezahlten Elternschaftsurlaub und bekommen im Ruhestand eine garantierte Mindestrente. Ich bin vom Ruhestand noch weit entfernt, deswegen sollte man letzte Information mit Vorsicht genießen, und ich habe auch noch nicht ausprobiert, ob das mit dem Elternschaftsurlaub dann so ist.
Wenn Sie aber mal einen schlechten Monat und wenig Umsatz haben, kann das schonmal sehr schwer werden. Wohngeld (aides au logement) kann man da schon beantragen, Aufstockungen (prime d'activité) auch, aber bis solche Anträge mal durch sind, kann es immer etwas dauern. Papier kann auch in Frankreich sehr geduldig sein.

Was die Krankenversicherung angeht, so ist die Grundversicherung (CMU) in diesen Steuern prinzipiell mit inbegriffen. Es ist jedoch empfehlenswert, sich wie so ziemlich alle Franzosen noch eine zusätzliche Versicherung (mutuelle) zuzulegen. Wenn Sie da das Luxuspaket mit allem Drum und Dran wollen, können Sie da auch leicht auf 400 € monatlich kommen, verpflichtend ist das aber nicht. Auf der unteren Stufe zahlen ich mein Mann da pro Monat rund 100 €. Erwähnenswert ist es vielleicht, dass bestimmte Dinge ganz allgemein nicht oder wenn auch nur von der mutuelle teilweise übernommen werden. Psychotherapien bezahlt man fast immer aus eigener Tasche, nur Psychiater werden erstattet. Ach ja, und Homöopathie soll ab nächsten Jahr auch nicht mehr erstattet werden (was Sie als Mann der Wissenschaft zu hören wohl freuen wird). Dafür kann man mit einem ärztlichen Rezept für ein notwendiges Medikament einfach in die Apotheke und bekommt dann das entsprechende Medikament ausgehändigt, wird über die Krankenkasse abgebucht. Auf jeden Fall gibt es kein solches verpflichtendes Zweiklassensystem wie in Deutschland.

Als Selbstständiger müssen Sie dann allerdings doch auch eine Grundsteuer abrichten. Die letzte, die ich da bezahlt habe, lag bei mir, der ich von zuhause arbeite, bei so rund 900 € pro Jahr, soll aber demnächst gesenkt und vielerorts auch abgeschafft werden. Macron räumt gerade ziemlich auf bzw. kündigt das zumindest so an.

Erwähnenswert ist es, dass Sie als Auto-Entrepreneur immer und ganz grundsätzlich mit Ihrem Privatvermögen voll haften, weil hier rechtlich überhaupt keine Trennung zwischen Ihnen als Person und Ihrem Unternehmen besteht: Sie sind das Unternehmen (deshalb ja auch AUTO-entreprise). Außerdem können Sie auch nichts von der Steuer absetzen, wie es andere Unternehmensformen tun können. Dafür handelt es sich beim Auto-Entreprise um die einzige Unternehmensform, die Sie rein theoretisch sogar dann ins Leben rufen können, wenn Sie vorbestraft sind.

Natürlich sollten Sie im Zweifel lieber bei der örtlichen URSSAF nochmal nachfragen, ob Sie Ihre Tätigkeit in einem solchen Rahmen ausüben können, aber ich sehe für Ihre Pläne ganz prinziell erstmal keine Hindernisse.
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