Aus Frankreich wieder zurückwandern

Für alle Themen, die mit Frankreich in Zusammenhang stehen und die in keines der anderen Foren passen.
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HeinBlöd
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Donnerstag 13. Januar 2005, 22:06

In recht geselliger Runde kam zu fortgeschrittener Stunde folgende Diskussion auf , die ich interessehalber gerne mal an Euch weiterleiten möchte:

Könnt Ihr euch vorstellen bzw habt ihr vor Frankreich wieder zu verlassen ?
Wenn ja : Zurück nach Deutschland oder in ein anderes Land???
miss_varna
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Freitag 14. Januar 2005, 01:12

Wir definitiv ja.

Dazu folgende Anmerkungen:
1. Wir sind nicht nach Frankreich gezogen, weil wir Frankreich so mögen oder schon immer hier leben wollten. Vielmehr war es Zufall, daß es so gekommen ist, daß wir gerade nach Frankreich gezogen sind. Es hätte genauso gut ein anderes Land sein können.

2. Es gefällt uns hier - aber es gibt auch Sachen, die uns weniger gefallen, wie in vielen anderen Ländern auch. Wir haben ganz einfach keine großartige emotionelle Bindung an FR.

Zurück nach Deutschland oder in ein anderes Land - who knows? Gerne auch in ein anderes Land, wir haben ja schon in mehreren Ländern gewohnt und sind damit eh eine Ausnahmeerscheinung ;)

Fest steht, daß wir nicht langfristig in Frankreich bleiben wollen. Das liegt in erster Linie daran, daß mein Mann kein Wort Französisch spricht und sich daran auch in naher Zukunft nichts ändern wird. Dies erschwert das soziale Leben ungemein. Im Zuge der Familienplanung stellt sich dann die nächste Frage: Mit wievielen Sprachen soll das Kind aufwachsen? Deutsch ganz klar, Französisch würde es dann in der maternelle lernen - aber dann kommt noch Bulgarisch (ich bin Bulgarin) hinzu und Englisch bräuchte es auch, weil wir oft im Ausland wohnen, wo dann Englisch gesprochen wird.... Von daher wäre es gut, wenn frz. schon einmal wegfallen könnte.

Es ist nicht so, daß uns etwas nach Deutschland zurückzieht - aber wir würden auch nicht sagen, daß wir nie wieder nach Deutschland ziehen würden. Wer weiß, vielleicht werden wir uns in Deutschland auch nicht mehr wohlfühlen nach so extensivem Auslandsaufenthalt?

Wie gesagt, who knows was die Zukunft bringt? Aber uns war von vornherein klar, daß wir in FR nicht alt werden. Andererseits...who knows? ;)
textspecht
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Freitag 14. Januar 2005, 01:36

Moin, Hein,

das Thema hatten wir zwar kürzlich schon mal in der Form, daß ein Schweizer, der seinen Frankreichfrust als Buch vermarkten wollte, hier heftig vom Leder zog. Aber Deine neue, positive Fragestellung führt sicherlich auch zu neuen und entspannteren Antworten.

Frankreich ist weißgott kein Paradies. Wer hier lebt, findet täglich 33 Gründe, warum es woanders schöner, besser, leichter sein könnte. Aber das sind genau dieselben 33 Gründe, die einen aus anderen Ländern nach Frankreich getrieben haben.
Lassen wir mal die Leute beiseite, die von ihren Firmen delegiert sind und aus Karrieregründen ein paar Auslandsjahre einlegen. Wer freiwillig nach Frankreich gekommen ist, hat keinen Grund zur Klage.
Bürokratie, Steuern, der unfähige Ortsbürgermeister, die bürgerferne Landesregierung — das ist doch überall dasselbe Lied. Wohin also zurückgehen oder auswandern?

Ich war früher überwiegend in Deutschland daheim, habe freiberuflich auch in verschiedenen Ländern Europas gearbeitet, habe mich 2003 mit 54 Jahren gemeinsam mit meiner Partnerin für ein Leben ("berufsaktiven Lebensabend") in Frankreich entschieden. Natürlich wird einem nichts geschenkt. Hier sowenig wie in Deutschland oder anderswo. Aber der Gedanke, Frankreich wieder zu verlassen, ist mir mit jedem Tag ferner.

Obwohl wir hier in unserem Gästehaus ständig deutsche Besucher haben, deutsche Medien verfolgen (also gewiß nicht abgekoppelt leben), war mein jüngster Besuch in Deutschland eher abschreckend: ein ziemlich fremdes, lautes Land, was soll ich da?!
Wer freiwillig nach Frankreich gegangen ist und heute Heimweh hat, ist womöglich unter falschen Voraussetzungen ins Land seiner Illusionen, seiner Ferienträume ausgewandert.

Wir haben das anhand von Kommentaren mitbekommen: Als wir mit unserer Gästehaus Frankreich starteten, dachten viele unserer Bekannten in Deutschland an ein "Aussteiger"-Projekt. Eben weil sie ein "Urlaubsbild" von Frankreich haben, und das ist nun einmal nicht das Arbeits- und Alltagsbild dieses Landes.

Freunde von uns, die seit über 10 Jahren in Frankreich aktiv waren, haben vor einem Jahr durch ein Unwetter ihre gesamte Existenz verloren, mußten zurück nach Deutschland, hatten in Frankreich keine finanzielle Chance und auch keine Lust mehr, hier zu bleiben. Durchaus verständlich in so einem Fall.
Aber ich wüßte nicht, was mich persönlich bewegen sollte, Frankreich wieder gegen ein anderes Land zu vertauschen. Wirtschaft, Politik etc. sind woanders nicht besser. Nur das Wetter ist schlechter.
Also erlaube ich mir, im vorgezogenen Rentenalter, das gleichwohl immer noch erhebliche Arbeit verlangt, die Sonne und Gelassenheit Südfrankreichs zu genießen. Wer das woanders noch besser erlebt, darf mir gern eine Ansichtskarte schicken. ;)

Gruß aus der südlich-sonnigen Ardèche.

Heinz-Günter
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HeinBlöd
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Freitag 14. Januar 2005, 10:23

@ miss-varna:

Für Leute mit Kindern stellt sich die Frage der Sprachen natürlich immer. Das scheint auch nicht immer reibungslos zu funktionieren.Es gibt deutsche, die versucht haben, ihre Kinder zweisprachig zu erziehen, was absolut nicht funktioniert hat, da das Kind nicht mehr zwischen den Sprachen unterscheiden konnte und zur Sprachtherapie musste.
Das andere extrem ist eine Familie, Mutter Engländerin -Vater Franzose, spanischer Herkunft, die ihre Tochter nur auf französich erzogen haben. Jetzt muss die Tochter Spanisch und Englisch in der Schule lernen. Und Eltern als Nachhilfe ist auch nicht immer der Beste Weg.


@Textspecht:

Nein, nein es geht gar nicht um eine emotionale Diskussion. Das war sie auch bei uns nicht. Es hatte mich nur erstaunt, dass bei 10 Leuten da 10 verschiedene Pläne für die Zukunft herauskamen. Den Thread des Schweizers muss ich mal im Archiv suchen... (Kennst Du noch die Überschrift???)
Natürlich ist Frankreich nicht das Paradies, aber wenn ich so die Nachrichten aus Deutschland verfolge, bin ich ganz froh hier und nicht dort zu sein. ( Obwohl gestern ja gemeldet wurde , dass die Talsohle ja durchschritten sei und es ein Konjunktur-Plus von 1.7 % gäbe , mal wieder :) )
Ich denke Bürokratie , Sozialabgaben usw sind hier ähnlich wie in D , wobei mir die Ich - Ag doch teurer vorkommt, wenn man mal alleine die Krankenkassenbeiträge nimmt.
Wobei wir Europäer uns nicht beklagen sollten. Wir haben es schon ganz gut getroffen....
Wer Heinmweh hat ist natürlich hier schlecht aufgehoben, obwohl man das nicht immer wissen kann. Wir haben auch anfänglich gedacht, dass, wenn es nicht funktioniert, aus welchen Grund auch immer, wir wieder gehen.
Bei den ersten 2-3 Besuchen in D hatte man auch noch das Gefühl "nach Hause zu kommen".
Mittlerweile hat sich sich das genau umgekehrt.
Heute setzt dieses Gefühl so ca 15 km hinter Narbonne auf der A9 ein :) ...
Aber das ist vielleicht mehr auf den Ort, als auf das Land bezogen .
Zuletzt geändert von HeinBlöd am Freitag 14. Januar 2005, 10:27, insgesamt 1-mal geändert.
miss_varna
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Freitag 14. Januar 2005, 14:11

Hmmm, ich weiß gar nicht, ob die wirtschaftliche Situation in Deutschland soooo viel schlechter ist als in Frankreich. Die Deutschen jammern nur so schrecklich viel und wenn man immer nur schwarz sieht, dann kann es mit der Konjunktur nur schlecht bergauf gehen (Stichwort self-fulfilling prophecy).
miss_varna
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Freitag 14. Januar 2005, 14:17

@Kinder/Sprachen:

Meine Tante, Bulgarin, hat einen Franzosen geheiratet und mit ihm 2 Kinder. Ihr Mann war Erdöl-Ingenieur und ähnlich wie mein Mann und ich haben sie alle paar Jährchen woanders gewohnt. Meine beiden Cousinen sprechen Französisch und haben je nach Wohnort meist noch die Landessprache gelernt - und nach Wegzug mangels Praxis auch wieder vergessen.

In all den Jahren hat meine Tante ihnen kein Wörtchen Bulgarisch beigebracht weil sie meinte, die Kinder würden schon zu viel Sprachen lernen. Heute sprechen beide Cousinen (30 und 21 Jahre alt) nur Französisch, Englisch wurde eher schlecht als recht in der Schule gelernt und die anderen Sprachen (Spanisch, Russisch, Griechisch u.a.) längst verlernt. Wenn sie nach Bulgarien kommen, können sie sich nicht mit unserer Großmutter oder den anderen Cousinen, Onkel und Tante unterhalten, Mutti muß immer übersetzen. Meine Cousinen werfen es meiner Tante vor, ihnen nicht Bulgarisch beigebracht zu haben....
Lilo
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Freitag 14. Januar 2005, 18:59

Salut,

@ Kinder/Sprachen:

da habe ich viele Beispiele aus dem Bekanntenkreis, bzw. aus meiner eigenen Lehrertätigkeit.
In der Regel haben Kinder absolut keine Probleme, wenn sie zweisprachig erzogen werden, es muß allerdings konsequent und fundiert sein, sonst kann man das abhaken.
Ein Plus: die meisten der zweisprachig erzogenen Kinder haben keine Probleme beim Erlernen weiterer Sprachen.

Tatjana, in dem Fall Deiner Tante war es für die Kinder absolut schwierig, das ist aber (hoffentlich) ein Ausnahmefall.


@ "Heimat" Frankreich:

Frankreich ist ein europäisches Land, wie andere auch: mit der Bürokratie, mit den wirtschaftlichen Problemen etc., da gibt es keine gravierenden Unterschiede.

Für Ausländer - wir sind Deutsche, besteht natürlich eine Sprachbarriere, die immer bleiben wird (zumindest bei uns), wir können uns zwar sehr gut (eigentlich problemlos) verständigen, bewegen uns aber lange nicht so sicher und gewandt wie in unserer Muttersprache.

Schwierigkeiten treten schon beim geringsten Kontakt mit Behörden, Gesetzestexten etc. auf, was für Muttersprachler absolut keine Hürde ist, sich aber für uns als Riesenaufgabe herausstellt, die wir in dieser Form in Deutschland nicht kannten.

Jeder Deutsche, der im Ausland lebt, hat sicher seine Plus -und Minus-Seite aufgestellt, das was ganz unten, unterm Strich steht, das zählt - sei es für Deutschland, sei es für das Land, in welchem man lebt.

Die Plus-Minus-Liste, kann man für jedes Land aufstellen.
Bei uns sind im Vergleich Deutschland-Frankreich ein paar mehr Plusse auf der französischen Seite, also ist für uns die Entscheidung klar.
Im Übrigen gibt es für uns nur die Alternative: Deutschland oder Frankreich!

Und wenn ich jetzt bei strahlendem Sonnenschein auf der Terrasse sitze, im "Garten" die ersten blühenden Veilchen sehe und die dicken, gelben Mimosenblüten betrachte - muß ich einfach noch ein Plus auf die sowieso schon übervolle Seite der Liste setzen

Gruß
Lilo
textspecht
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Freitag 14. Januar 2005, 22:39

Nachdem Lilo so eindeutig die französische Plus-Liste betont hat, muß ich doch nun doch mal ganz klar die Minus-Liste aufmachen:
1. Es gibt in Frankreich erschreckend wenige Fachgeschäfte für Modelleisenbahnen.
2. Mein bevorzugter Pfeifentabak ist in Frankreich praktisch nicht erhältlich.
3. öööhhh... ;)

Was nicht heißt, daß wir Frankreich kritiklos hinnehmen. Als ständige Residenten mit EU-Staatsbürgerschaft haben wir hier ja durchaus auch praktische Einflußmöglichkeiten. Das heißt nur, daß wir vor unserer Standortwahl hinreichend nachgedacht und zumindest gegenwärtig nichts zu revidieren haben. Obwohl uns selbst hier in der Provinz immer wieder neue Ereignisse um die Ohren fliegen.
Aber das ist für uns und andere "erklärte Residenden" (zumal im höheren Alter) eine ganz andere Sache als z.B. für die junge Miss Varna, die den Berufsstationen ihres Mannes folgen und sich Gedanken über die Muttersprache/n ihrer noch ungeborenen Kinder machen muß.

Für alle, die in diesem Forum nach Hinweisen suchen, ob sich die Auswanderung nach Frankreich denn "lohnt": Wenn Ihr nicht gerade das unkomplizierte, bürokratiearme Leben sucht, nicht "aussteigen", sondern durchaus weiterhin (selbständig oder angestellt) arbeiten wollt — ja, dann lohnt es sich. Denn man findet hier ein komplett anderes Lebensgefühl, eine ganz andere Einstellung.
Gerade in Südfrankreich, wo Anfang Januar schon die ersten Iris blühen, Mitte Januar die ersten Veilchen, Anfang Februar die ersten Mimosen. Für mich ist sowas absolute Lebensqualität und durch nichts zu übertreffen. Wenn ich diese klimatischen Vorteile habe, nehme ich es auch gern in Kauf, daß viele Läden mittags dicht und die Supermarkt-Kassen für unsere Begriffe komplett desorganisiert sind.

Wie gesagt, mein jüngster Besuch in Deutschland war recht erschreckend, da ist alles effizient bis zum Abwinken. Wer will denn wirklich so leben?

Frankreich kann verdammt schwierig sein! Aber ich wüßte derzeit nicht, wo ich lieber leben möchte.

Gruß, Heinz-Günter
les cigales
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Samstag 15. Januar 2005, 11:37

Mein Wunsch und auch Traumwar es schon immer,nach Frankreich zu ziehen und dort zu leben.Die beste Möglichkeit hierzu,bot sich durch meine gastronomische Ausbildung und der französischen Sprache aus meiner Schulzeit.
Leider hat es damals nicht sollen sein und so zogen die Jahre ins Land,doch nie ohne diesen Traum zu verlieren.
Jetzt,nach fast 20 Jahren,hat es so sollen sein, durch meinen 3. Beruf und die Kontakte,die ich dadurch,Europa- und Weltweit habe.Sicher war meine Abreise aus Deutschland sehr schnell vorbereitet und vollzogen.Alles in allem anderthalb Monate.Doch schon jetzt kann ich sagen,Deutschland ? Nein Danke.
Ich stimme Heinz - Günter in vielem zu.So sind die Öffnungszeiten und das Angebot,sowie die Organisation gewöhnungsbedürftig,doch mir weitsaus lieber,wie die perfekte Strukturierung in Deutschland,wo es in Ausnahmefällen die Möglichkeit gibt,auch einmal anders zu entscheiden.
Ich kämpfe jeden Tag mit diesen Hindernissen der französischen Mentalität im Vergleich zur deutschen.Doch kann ich sagen,daß dies einen nicht unerheblichen Reiz auf mich ausübt.Mein Problem stellt sich lediglich bei der Verwendung spezifischer Wörter,wohingegen das Verstehen nicht ein Problem ist.Mitunter verstehe ich sogar die Franzosen,weshalb bestimmte Dinge anders laufen,wie in Deutschland.

Sprachbarrierene?
Für Erwachsene ja.Für Kinder in einem bestimmten Alter sicherlich nicht.Ich bin verheiratet und getrennt lebend.Meine Frau ist Kroatin.Unsere Tochter wächst zweisprachig auf.Sie spielt sogar mitunter Dolmetscher und ist in der Lage 2 Sätze in unterschiedlicher Landessprache,umgehend zu verstehen.

Das Problem von Tatjana liegt eher darin,daß sie ein Leben führt,daß nicht geprägt ist von Seßhaftigkeit.Dadurch,daß ihr Mann in einem wohl internationalen Unternehmen arbeitet,bietet sich einerseits die Möglichkeit,viel herumzukommen,andererseits die Problematik,innerlich eine Barriere zu schaffen,an der es letztendlich scheitert,seßhaft zu werden und eine Landessprache richtig zu lernen.In diesem Zusammenhang natürlich auch für die Kinder,die somit zuhause die Sprache der Eltern sprechen,aber wohl niemals die Sprache des Landes,indem sie zurzeit leben.

Ich denke,dieses Land hat durch seine geordnete Unordnung,mehr Lebensraum und Gefühl geschaffen,wie kaum ein anderes Land in Europa.Einen Charme,den Deutschland niemals haben wird.Es ist weniger die Blütezeit von Mimosen und Iris für mich,ohne Lilo und Heinz - Günter dabei zu nahe treten zu wollen,denn ist ein persönliches Lebensgefühl von euch beiden und ich gönne es euch.
Ich sehe da die Freundlichkeit bei jedem Einkauf und dem Service.Man nimmt sich hier die Zeit und egal wie das Geschäft verläuft,man bleibt freundlich und sagt Merci Madama/Monsieur oder wie ist es in der Nachbarschaft.Wohl eher selten,daß man sich grüßt.Hier wird über die Straße hinaus gegrüßt und gesprochen.Für mich in Deutschland eine Seltenheit.
Ich denke,dieses Land hat mehr Potenzial an Lebensqualität,wie Deutschland und daher nehme ich es gerne in Kauf,daß ich bestimmte,gewohnte Dinge hier nicht finde und mich arangiere.

Ein grundlegendes Problem vieler Deutschen ist die Einstellung und das Gewohnte aus Deutschland.Frankreich ist ein Land,daß einem zeigt,was wir noch lernen können.Hier kann nur gelebt werden,wer vergißt und vergleicht,was ist und war.Erst wenn man lernt,neu zu entdecken,dann ist man reif für Frankreich.Nicht wahr Lilo oder Heinz - Günter?Habt ihr es in dieser Form genossen,was wann blüht,wo ihr noch am Kaiserstuhl gelebt habt?
Ich muß für meinen Teil sagen,weder in Herbolzheim noch in Grenzach - Wyhlen habe ich soviel wahrgenommen,wie hier.Und ich gniesse jeden Tag auch wenn das Wetter zur Zeit nicht so ist,wie derzeit in Grenzach - Wyhlen.

Gruss aus Clermont

Klaus
Lilo
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Sonntag 16. Januar 2005, 04:38

Salut Klaus,

natürlich haben wir am Kaiserstuhl nicht so viel wahrgenommen wie hier, da unsere Jobs, die den Lebensrhytmus bestimmten, andere waren, natürlich geniessen wir hier das Draußen mehr, da unser "Garten" hundert mal größer ist, als der vorherige, natürlich genießen wir das unverschämt gute Wetter, welches uns ein Leben rund ums Jahr im Freien ermöglicht.

Aber auch sonst, Du hast recht, ist das Lebensgefühl anders: vieles ist besser, oder wird so wahrgenommen, weil es mit der entsprechenden Freundlichkeit rüberkommt.
Frage in Deutschland am Samstag vormittag eine Kassiererin an der Supermarktkasse mit einer 20-Personen-Schlange hinter Dir nach einem bestimmten Produkt, welches Du nicht gefunden hast. Die Dame wird Dich mit ihren Blicken erdolchen, in der Reihe hinter Dir wird die Aufforderung nach Lynchjustiz laut und das Beste, was Du erreichen kannst, ist Dich einigermaßen unbeschadet vom Acker zu machen.

In Frankreich stellt sich die Situation folgendermaßen dar: die Kassiererin fragt die Nachbar-Kassendamen, telefoniert mit der Abteilungsleiterin, versucht Dich während der Wartezeit mit Freundlichkeit, Lächeln, Gesprächen zu unterhalten. Die 20 Kunden hinter Dir bemühen sich hilfreich ins Gespräch einzugreifen, bieten sich an, Gewünschtes zu holen, erzählen Schwänke aus ihrem bisherigen Leben und versorgen Dich rundum. Glücklich und zufrieden schiebst Du dann irgendwann Deinen Einkaufswagen zum Auto - das Ganze dauerte vielleicht 15 Minuten länger als in Deutschland, war aber deutlich entspannter - und entspannender!

Am Anfang hatte ich durchaus Schwierigkeiten damit, weil ich die deutsche Hektik gewohnt war, mittlerweile lächle ich darüber, wenn während der Saison Touristen sich ebenso anstellen, wie ich es tat.

Dies alles ist sehr angenehm, aber richtig stressig wird es, wenn bspw. ein technisches Gerät, Auto, etc. defekt ist, auf welches Du nicht verzichten kannst, denn da geht es um Tage, um zusätzliche harte Arbeit (bewirte täglich 10 Gäste, während Dein Geschirrspüler kaputt ist - da gehst Du aber wirklich am Krückstock!). Dann ist Freundlichkeit, Geduld, Hilfsbereitschaft nicht am Platz! Du willst einfach nur wissen, wann das Teil fertig ist! So weit bin ich noch nicht, um hier das nötige Verständnis aufzubringen.

Die "geordnete Unordnung" nervt bisweilen kolossal, weil dadurch viel Zeit verloren geht, sehr viel sogar. In meiner Situation kann ich damit umgehen, aber ich glaube als normale Angestellte hätte ich ein Riesenproblem damit - weil einfach viel Zeit vertändelt und dadurch von der Freizeit abgeht.

Insgesamt ist hier nicht alles besser, aber deutlich entspannter und angenehmer als in Deutschland - falls man genügend Zeit dazu hat.

Gruß
Lilo
miss_varna
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Sonntag 16. Januar 2005, 15:15

@textspecht: Nur zur Klarstellung, mein Mann wurde nicht nach Frankreich versetzt, sondern er hatte ein Jobangebot aus Frankreich, das er wahrgenommen hat. Hier ist er fest angestellt, hier ist unser Wohnsitz (in DE haben wir keinen, womit ich jetzt nicht die pol. Anmeldung meine ;) ) und von hier aus wird er immer mal wieder auf Projekt geschickt.

Aber Du hast Recht, unsere Situation stellt sich ganz anders da als Eure (oder die anderer Leute, die in Eurem Alter ganz bewußt auswandern).

@Klaus: Du hast Recht, wir sind irgendwie Nomaden, nirgendwo richtig seßhaft, in der ganzen Welt zu Hause. Der Hintergedanke, daß man eh nur begrenzte Zeit an einem Ort verweilt, behindert auf die Schließung von Freundschaften - gar nicht mal von unserer Seite aus, als vielmehr von Seiten der anderen Leute, die es nicht als lohnenswert ansehen, in eine Freundschaft zu investieren, wenn man vielleicht bald nicht mehr da ist. Man kann auch Freundschaften schwierig pflegen, wenn man ständig unterwegs ist :(

Was die Sprache anbetrifft, so spreche ich fließend Französisch, habe aber auch den Vorteil, es schon in der Schule gelernt zu haben. MEin Mann hat nie frz. gelernt und auf Arbeit wird nur Englisch gesprochen, seine Kollegen kommen aus aller Herren Länder. Und da er eine 70-Std.-Arbeitswoche hat, bleibt nicht viel Zeit und Energie, die Sprache zu erlernen :(
miss_varna
Beiträge: 189
Registriert: Freitag 29. Oktober 2004, 00:32

Sonntag 16. Januar 2005, 15:29

Lilo schrieb

In Frankreich stellt sich die Situation folgendermaßen dar: die Kassiererin fragt die Nachbar-Kassendamen, telefoniert mit der Abteilungsleiterin, versucht Dich während der Wartezeit mit Freundlichkeit, Lächeln, Gesprächen zu unterhalten. Die 20 Kunden hinter Dir bemühen sich hilfreich ins Gespräch einzugreifen, bieten sich an, Gewünschtes zu holen, erzählen Schwänke aus ihrem bisherigen Leben und versorgen Dich rundum. Glücklich und zufrieden schiebst Du dann irgendwann Deinen Einkaufswagen zum Auto - das Ganze dauerte vielleicht 15 Minuten länger als in Deutschland, war aber deutlich entspannter - und entspannender!


Dies alles ist sehr angenehm, aber richtig stressig wird es, wenn bspw. ein technisches Gerät, Auto, etc. defekt ist, auf welches Du nicht verzichten kannst, denn da geht es um Tage, um zusätzliche harte Arbeit (bewirte täglich 10 Gäste, während Dein Geschirrspüler kaputt ist - da gehst Du aber wirklich am Krückstock!). Dann ist Freundlichkeit, Geduld, Hilfsbereitschaft nicht am Platz! Du willst einfach nur wissen, wann das Teil fertig ist! So weit bin ich noch nicht, um hier das nötige Verständnis aufzubringen.
Hallo Lilo,

diese beiden Aussagen von Dir kann ich so nicht unterschreiben. Geh' mal in unseren Carrefour, da wirst Du Deine Meinung schnell ändern ;) Mir ist vor 2 Monaten ein Malheur passiert: Ich habe einen großen Eimer Farbe gekauft und als ich ihn vom Kassenband zurück in den Wagen hiefte, rutschte mir der Eimer aus der Hand, knallte in den Einkaufswagen und ging natürlich auf - Resultat: Farbe überall, und noch dazu ganz viel rote in meinem Gesicht ;) ICh entschuldigte mich hundert Mal, es war mir schrecklich peinlich, die Kassiererin reagierte total lieb "Ca peut arriver à tout le monde" und hat sogar den Farbkauf storniert. Auch die sofort eintreffenden Reinigungskräfte waren nett und überhaupt nicht stinkig, daß sie das beseitigen müssen. Nur die Leute hinter mir in der Schlange beschwerten sich bei der Kassiererin, daß sie es eilig hätten :( Das Personal reagierte wirklich nett, die anderen Leute aber nicht :(

Meine Erfahrungen bei defekten Geräten hingegen ist positiv:
Kurz vor Weihnachten hat mein PC plötzlich den Geist aufgegeben, welch Horror, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein! Ich hatte noch 1 Monat Garantie und brachte ihn also in den Carrefour, wo ich ihn damals gekauft hatte. Man sagte mir, ich müsste mit einer Reparaturzeit von mind. 3 Wochen rechnen, da sich durch die bevorstehenden Feiertage alles verzögern würde.
Genau 2 Wochen später kehrte ich aus dem Urlaub zurück und war kaum 10 Minuten zur Tür rein, da klingelte das Telefon: Carrefour teilte mir mit, daß mein PC zur Abholung bereit stünde :-)

Avec Carrefour, je positive! ;)
Kati
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Registriert: Mittwoch 6. November 2002, 09:11

Freitag 28. Januar 2005, 14:12

Frankreich ist mein Traumland, ich wollte hierher, seit ich mit 18 als au-pair in Paris war. Hatte dann zwar bis 35 gedauert, dass ich den Traum realisieren konnte. Jetzt lebe ich hier 10 Jahre und werde auch NIE mehr zurückgehen. Jedesmal, wenn ich nach D zurückkehre (selten, um Z.B. Familie zu besuchen), fühle ich mich mehr und mehr dort als "Ausländer". Das Land wird mir immer fremder: die Menschen unzufrieden (obwohl es ihnen im Verhältnis zu Menschen in anderen Ländern, einschließlich F, sehr viel (materiell) besser geht. Dieses Gejammere, diese schlechte Laune und Stimmung machen mich jedesmal ganz krank. Das geht schon am Flughafen an und setzt sich im Taxi fort... Sicher ist nicht alles Gold in Frankreich, aber irgendwie ist die Atmosphäre doch von einem gewissen Optimismus durchdrungen (gibt es in vielen anderen Ländern auch), und in D fehlt er gänzlich. Vielleicht ist es auch das "Laissez-Faire" ("Irgendwie wird es schon weitergehen") und weniger grübeln.
Jedenfalls habe ich jetzt die französische Staatsbürgerschaft beantragt (und werde sie aller Voraussicht auch erhalten). Für mich die klare Konsequenz, wenn ich entschieden habe, hier bis zum Lebensende zu leben.
Kati
Eve
Beiträge: 183
Registriert: Dienstag 11. Juni 2002, 20:33
Wohnort: Caen

Freitag 28. Januar 2005, 15:51

Salut!
Nur nebenbei...
vorgestern habe ich beim Mittagessen in einer Brasserie Radio gehört, in der Normandie ist ausnahmsweise mal Schnee gefallen. Ihr könnt euch die wutentbrannten Anrufer nicht vorstellen, weil nicht schnell genug gestreut wurde und sie im Stau standen.
Einfach lächerlich. Es schneit so selten, da kann nicht auf jeder Dorfstrasse im Calvados ein Salzstreufrahrzeug morgens um 6h sein.

Ich fühl mich pudelwohl hier, aber dass Franzosen alles so gelassen nehmen, ich glaub ihr habt einfach noch nicht die Situation erlebt, wo es nicht so ist. Als ich am Anfang auf dem Arbeitsamt war, war immer heftig Terror angesagt. Und ich finde, dass die Franzosen mit richtig vulgären Ausdrücken viel lockerer umgehen.
Auch bei meiner Bank bekomme ich öfters Wutanfälle der Kunden mit. Das liegt aber auch daran, dass meiner Bank wirklich sch.... ist.

Viele gelassene Grüsse ;)
eve
textspecht
Beiträge: 548
Registriert: Dienstag 27. August 2002, 13:32
Wohnort: Ardèche Sud

Samstag 29. Januar 2005, 00:33

Salut, Eve,
da habe ich richtig breit gegrinst, denn in Deinen Darstellungen habe ich mich selber sehr wohl wiedergefunden. Meine Bank übrigens auch...

Beste Grüße, Heinz-Günter
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