Frankreich hat Nein gesagt zur EU-Verfassung

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textspecht
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Sonntag 29. Mai 2005, 22:25

Vermutlich wußten die meisten Franzosen gar nicht, wozu sie da Ja oder nein sagen sollten.
Und vielleicht hätten auch in manchen anderen Ländern die Bürger Nein gesagt, wenn man sie denn überhaupt direkt befragt hätte.
Gibt's Meinungen und Kommentare dazu?

Gruß, Heinz-Günter
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Gero
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Montag 30. Mai 2005, 12:31

nun ...
ich denke, die Franzosen waren sicherlich besser aufgeklärt als die Deutschen, die Ü B E R H A U P T keine Ahnung hatten (und haben), um was es geht...sie wurden ja auch nicht gefragt...

Übrigens: Als die EU-Verfassung in D ratifiziert wurde, hat eine Online-Umfrage auf SWR3 zum gleichen Ergebnis geführt: wären wir also gefragt worden, hätte es auch ein Nein gegeben..oder sehr wahrscheinlich zumindest....

Gruß
Gero
petilui
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Dienstag 31. Mai 2005, 05:09

nach endlosen Diskussionen(positiver Nebeneffekt neue Vokabeln)
drängt sich mir folgender Eindruck auf.
Die Franzosen wollten schon einmal Denkzettel verteilen und sahen sich plötzlich in der Falle mit einer Stichwahl zwischen le Pen und Chirac. Da sie le Pen auf keinen Fall wählen wollten (konnten) nahmen sie das "kleinere Übel". Den mochten sie von Anfang an nicht. Damit hatten sie einen Präsidenten, den sie(so mein Eindruck) eigentlich nicht wollten
Jetzt war eben die beste Gelegenheit, ihm eins überzubraten.

PS: Die an alle Bürger verschickten Exemplare der Verfassung waren -zumindest bei meinen Gesprächspartnern- noch alle im jungfräulich unversehrten Kuvert.
Regina
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Dienstag 31. Mai 2005, 18:26

Hallo, schließe mih petitlui an, die meisten Franzosen wollten zu Chirac samt Regierung NON sagen, was auch immer die gefragt hätten. Man wollte einfach mal kundtun, "on a en le ral bol", "on a assez", wie ich das auf dem montäglichen Markt mitgehört habe.
Es ging nicht wirklich um Europa, obwohl es da sicherlich auch Vorbehalte gibt - wie eben auch in D und den meisten europäischen Ländern. Inwieweit die Franzosen sich informiert haben und/oder die Deutschen, kann ich nicht beurteilen.

Nun ist die franz. Regierung ja zurückgetreten, die Deutschen dürfen neu wählen ... politisch schwierige Wetterlage ...

Gruß
Regina
peregreen
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Mittwoch 1. Juni 2005, 18:43

Hallo, ich glaube unsere Politiker wissen schon warum sie uns das Recht auf eine Volksabstimmung verweigern.
Der Nachteil einer solchen wurde Ihnen von den Franzosen gezeigt. Die Niederländer, werden es heute tun.
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HeinBlöd
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Donnerstag 2. Juni 2005, 06:55

sie haben : 61,5 Nein
Und das ist gut so!
oui
Beiträge: 35
Registriert: Samstag 4. Juni 2005, 11:58

Samstag 4. Juni 2005, 17:22

guten tag

ich finde, dass man sich in deutschland mit solchen erklärungen das leben sehr leicht macht...

tatsache es gab eine wahl zum verfassungsvertrag

tatsache es gab in frankreich ein monatelang sehr lebhafte diskussion

tatsache alle franzosen haben sie jetzt, ob sie sie gelesen haben oder nicht, die verfassung, was man von den deutschen, die alles besser wissen (eigene regierung bestrafen etc.) - ich weiss nicht, ob alle meinungsbildner (journalisten etc.) in deutschland die verfassung überhaupt versucht haben zu lesen...- sicher nicht sagen kann!!! ich habe jetzt 2 komplette exemplare zu hause (dicke hefte DIN A4 auf bibelpapier, damit der wähler nicht sofort einen schrecken bekommt - aber auch um den postbooten zu schonen, natürlich), die die vielen exemplare ergänzen, die ich ohnehin auf der festplatte hatte (allein 4 in versch. spanischen sprachen, nicht nur in castellano)

tatsache die franzosen sind von europa höchst unzufrieden, nicht nur gegen ihre regierung. ein teil des zorns richtet sich gegen die deutschen, denn man vermutet, dass die erben von genscher, die die deutschen in sachen demagogische öffnung zum osten nunmal sind, die hauptschuldigen in dieser nie mehr aufhörenden erweiterung sind. auch hat man sehr unpassend erlebt, dass der deutsche europa-volksvertreter kohn-bendit aus der regierungspartei, die die demokratischen spielregel in deutschland ausser gefecht gesetzt hat, nach frankreich kommt, um belehrungen den franzosen zu erteilen. er sollte sich lieber einsetzen, dass das demokratische und europa freundliche bzw. offene funktionieren der institutionen in deutschland klappt (deutschland ist nämlich oft genug gegen westeuropäer absolut xenophob!)

tatsache die franzosen wissen, dass sowohl die regierung wie auch die opposition beide die verfassung wünschten; die regierung abwählen, wie es die deutschen machen werden, hätte nichts genützt... zum glück gab es ein referendum!

tatsache die franzosen wissen, dass man nicht gegen länder, wo kein soziale spielregel existieren, wo die arbeitnehmer 6 x 12 stunden in der woche arbeiten müssen, mit völlig offenen grenzen etwas machen kann, und dass die e.u. unser kontinent in eine landschaft verwandelt, wo keine arbeit mehr zu finden sein wird, ausser in den ämtern und beim bäcker, wobei brot sogar sich gefrieren liesse und fernreise per schiff vertragen könnte, mindestens so gut, wie die badezimmerkachel, die man jetzt aus china statt aus italien kommen lässt, wobei die italienischen ziegeleien jetzt auch in die grössten schwierigkeiten geraten

tatsache die franzosen wissen, dass deutschland heimlich englisch zur pflichtsprache gemacht hat, und damit in einseitigem, grob unhöfflichem vorgehen zur europa-sprache krönen will (und das zufällig in der zeit, wo die westvölker europa den deutschen einen eher sehr höfflichen kniefall gemacht hatten, indem sie die wiedervereinigung deutschland und entfernung der hauptstadt deutschlands vom westen, wie soll man sagen, eher neutral bis leicht zustimmend anguckten, was gar nicht selbstverständlich war, weil dadurch ein block gebildet wurden, welches das alte gleichgewicht der länder eindeutig verlagert...). eine andere sprache zur plichtsprache aufzuwerten (und ausserdem enorm viel lehrzüge in den gymnasien und höheren schulen einzurichten, in welchen diese sprache allein als hauptsprache genommen werden kann) hat nämlich diese bedeutung

tatsache die franzosen wissen, dass parallel zu europa-entstehung keine sprachliche öffnung in deutschland stattgefunden hat. man lehrt immer noch nicht holländisch etc. in deutschen schulen, obwohl man europa miteinander bauen will, sagt man mit gespalteter zunge

man zweifelt heute, dass europa der richtige weg sein soll. europa ist ein werkzeug für den bisherigen exportweltmeister deutschland gewesen. mit deutschland zusammen ist ganz europa weltmeister natürlich auch, nur parallel zur wahrung der exportrecorde der deutschen giganten, werden nicht nur in deutschland in krefeld bei siemens etc., aber in ganz europa, und in den anderen ländern überproportional viel, die arbeitsplätze vernichtet. dass heisst es profitiert eine region, das ohnehin schwergewicht (brd + ddr) mehr von europa, als alle anderen regionen. auch hat europa viel unterstützung für fussgängerzonen und parks in ostdeutschland gegeben, die in manch einer gegend der gründerländer so etwas wie ein traum für immer bleiben werden... dito was kaufkraft und lebensstandard anbelangt. so anteilnehmend die europäer bei den überflutungen in ostdeutschland waren, so schockiert war auch mancher diese zur-schau-stellung von einer "gefressigkeit nach hohem lebenstandard als erstes" feszustellen.

dies ist wichtig, denn was glauben denn, die deutschen, welches beispiel es den polen, hungarn, etc... gegeben hat!

soll die e.u. hauptsächlich eine "krankenkasse" für stadtkerne und operngebäude sein?

ist ein "nein" der franzosen und holländer so gesehen so unlogisch?

mfg

françois
Zuletzt geändert von oui am Samstag 4. Juni 2005, 17:28, insgesamt 1-mal geändert.
wolle
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Montag 6. Juni 2005, 09:57

Bonjour françois

du fragst ....ist ein "nein" der franzosen und holländer so gesehen so unlogisch?...
aus meiner Sicht ist es überhaupt nicht unlogisch und nachvollziehbar. Denn auch hier wird die Verfassung kritisch gesehen, nur hatten wir keine Wahl!

...tatsache es gab in frankreich ein monatelang sehr lebhafte diskussion...
das kann ich nur bestätigen. In meinem Bekanntenkreis war es der Gesprächsstoff Nummer eins, wobei das "Für" und "Wider" quer durch alle Partnerschaften ging und ich kritische Fragen gestellt bekam.

...tatsache alle franzosen haben sie jetzt, ob sie sie gelesen haben oder nicht, die verfassung, was man von den deutschen, die alles besser wissen (eigene regierung bestrafen etc.) - ich weiss nicht, ob alle meinungsbildner (journalisten etc.) in deutschland die verfassung überhaupt versucht haben zu lesen...
Nun, wir sind auch nicht so informiert worden wie die Franzosen. Verfassung im Briefkasten, Diskussionen und Spots im Fernsehen, Flugblätter und Plakate in den Städten! Hier mußte man sich schon selber kümmern.
Allerdings ist das Lesen der Verfassung nicht leicht für mich gewesen und ich denke, viele Franzosen hatten da auch ihr Problem. Teils mit mancher Unverständlichkeit oder diffusen Formulierungen die man im nachhinein in beide Richtungen interpretieren kann.

...ein teil des zorns richtet sich gegen die deutschen, denn man vermutet, dass die erben von genscher, die die deutschen in sachen demagogische öffnung zum osten nunmal sind, die hauptschuldigen in dieser nie mehr aufhörenden erweiterung sind...
Wobei wir durch die Nachbarschaft zum Osten diese Öffnung schmerzlich auf dem Arbeitsmarkt spüren und ich hoffe, das durch das Nein der Franzosen und Niederländer hier ein Nachdenken stattfindet.

...tatsache die franzosen wissen, dass deutschland heimlich englisch zur pflichtsprache gemacht hat, und damit in einseitigem, grob unhöfflichem vorgehen zur europa-sprache krönen will...
Hupps, das ist mir neu! Ich dachte immer die Engländer hätten dieses bestreben! Tatsache ist, das viele Konzerne hier in Deutschland ein ausländisches Management haben und die Konzernsprache englisch ist. Ich bin für eine finnische Firma tätig und sobald nur ein Finne im Meeting anwesend ist, wird englisch gesprochen, beurk!
Deshalb ist in den Schulen, wie in Frankreich auch, das lernen der englischen Sprache Pflicht. Aber ich hoffe unsere Jugend sieht ihre Chance und lernt auch verstärkt romanische Sprachen. Denn was nützt ein Europa ohne Grenzen und mit einem frei zugänglichen Arbeitsmarkt wenn man aus sprachlichen Gründen dies nicht nutzen kann.

...tatsache die franzosen wissen, dass parallel zu europa-entstehung keine sprachliche öffnung in deutschland stattgefunden hat...
Das gilt für Frankreich aber auch. Trotz englisch haben auch die Franzosen es leichter wenn man die Sprache des Landes beherrscht in dem man sich aufhält oder arbeitet.

...so anteilnehmend die europäer bei den überflutungen in ostdeutschland waren, so schockiert war auch mancher diese zur-schau-stellung von einer "gefressigkeit nach hohem lebenstandard als erstes" feszustellen...
Interessant, da muß ich noch drüber nachdenken....

bon semaine et salut wolle
Stefan Cilimba
Beiträge: 186
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Wohnort: St. Jory de Chalais Perigord Dordogne

Donnerstag 30. Juni 2005, 01:18

Hallo, ich empfinde es als unerträgliche Arrogance wenn jemand, der hier lebt, denkt kommentieren zu müssen, dass die Franzosen eh alle Dummköpfe sind die nicht wissen was sie tun.
Da kommt mir echt die Kotze hoch.
Stefan
Zuletzt geändert von Stefan Cilimba am Donnerstag 30. Juni 2005, 01:18, insgesamt 1-mal geändert.
gittachen
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Dienstag 5. Juli 2005, 01:23

Stefan Cilimba schrieb
Hallo, ich empfinde es als unerträgliche Arrogance wenn jemand, der hier lebt, denkt kommentieren zu müssen, dass die Franzosen eh alle Dummköpfe sind die nicht wissen was sie tun.
Da kommt mir echt die Kotze hoch.
Stefan
da kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen
Gittachen
JohannaB
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Donnerstag 11. August 2005, 13:25

Ich bin Französin und ich glaube ich weiss warum wir NEIN gewählt haben:

Die Konstitution wurde uns nicht erklärt. Es hiesst (in die Medien):
-wenn ihr NEIN wählt, seid ihr Idioten (so ungefähr...)

Es liegt aber daran, dass die wir (die Franzosen) sehr unzufrieden sind, was unsere Regierung angeht, und viele haben NEIN gewählt um unsere Politikern eine Lektion zu erteilen.

Dabei haben wir uns aber selbst eine Lektion erteilt.

Ausserdem, wir haben eine "schlechte Mentalität":
Wir wollen Jobs, Geld, aber bitte nur das Minimum arbeiten.

Ich bin vielleicht nur 23 aber eins weiss ich: "Ohne nichts, kommt nichts!"

Ich sage nur, "Ungebildetete Menschen können ein Land nach unter ziehen" (errinert euch daran, dass Bush immer noch Präsident ist...)

Dass ist aber eigenen Meinung, und meine Meinung ist nicht jeders.
wolle
Beiträge: 552
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Freitag 12. August 2005, 08:32

JohannaB schrieb
...Ausserdem, wir haben eine "schlechte Mentalität":
Wir wollen Jobs, Geld, aber bitte nur das Minimum arbeiten...
also schlecht finde ich diese Mentalität nicht.... nur werden diese Jobs in Frankreich und Deutschland immer seltener :D
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