Oh - kaum bin ich mal ein paar Tage nicht da, schon wird hier fleißig gepostet. Sehr gut.
Ich habe inzwischen einen kleinen Sommerurlaub gebucht, aber nicht in Frankreich, sondern in der für mich nahegelegenen Stadt Brüssel. Da war ich zwar schon öfters (schon als Student, denn während meine Romanistik-KommilitonInnen aus Hannover alle nach Rouen gingen, landete ich in Brüssel), aber ich dachte mir, ich besuche die Hauptstadt Belgien noch mal, solange es ein Land namens Belgien noch gibt. Wer sich ein bisschen mit Belgien beschäftigt, weiß, dass sich Frankophone und Flamen seit einem Jahr mal wieder heftig streiten und es in Flandern wieder mal starke Separatismusbestrebungen gibt. Was bei einer Spaltung des Landes mit Brüssel geschehen würde, finde ich besonders beunruhigend, denn geographisch liegt es in Flandern, ist aber trotz offizieller Zweisprachigkeit überwiegend frankophon.
Quoiqu'il en soit, ich nehme dies zum Anlass, jetzt ein paar französischsprachige Lieder aus Belgien zu "beschreiben".
Weiter oben habe ich ja schon etwas vom französisch singenden Flamen Arno gezeigt ( unter anderem "Mourir à plusieurs" und der Aspekt, trotz niederländischer Muttersprache überwiegend französisch zu singen, verbindet ihn mit Axelle Red, die bürgerlich Fabienne Demal heißt und aus Hasselt in Limburg stammt, aber für ihre französischsprachigen Chansons sogar schon vom französischen Kulturminister "dekoriert" wurde.
Ein großer Teil belgischer Sänger stammt aber aus Brüssel, und auch hier fällt auf, wie sich die Volksgruppen doch längst vermischt haben. Maurane aus dem Stadtteil Ixelles heißt zum Beispiel bürgerlich Claudine Luypaerts, ein Familienname, der flämischer kaum sein könnte. Wir hören und sehen sie mit "Sur un prélude de Bach":
Lara Fabian aus dem Stadtteil Etterbeek wiederum heißt eigentlich Lara Crokaert und hat einen flämischen Vater (den übrigens einst das Schicksal ereilte, in der Begleitband von Petula Clark spielen zu müssen ... brrrr). Dem belgischen Sprachenstreit hat sie sich insofern entzogen, dass sie seit Anfang der neunziger Jahre in der frankokanadischen Provinz Quebec lebt und kanadische Staatsbürgerin geworden ist (allerdings wohl ohne den belgischen Pass abgegeben zu haben). "J'y crois encore":
Auch der inzwischen übrigens an Krebs verstorbene Pierre Rapsat fällt in die Kategorie der "Mischbelgier". Geboren in Brüssel, die Mutter Wallonin, der Vater Flame, bezeichnete er sich gern als "echter Belgier". Im Folgenden sehen wir seinen Auftritt beim Grand Prix Eurovision 1976 in Den Haag, wo er mit "Judy et compagnie" Achter wurde.
(Bei diesem Wettbewerb hatten die Belgier schon ganz andere Vertreter, aber dazu komme ich noch.)
Plastic Bertrand, der eigentlich Roger Jouret heißt, sich aber wohl trotzdem von Freunden gern mit "Plastic" ansprechen lässt, ist auch ein "gemischter Brüsseler", allerdings anders - er ist nämlich Sohn eines Franzosen und einer Ukrainerin, die sich irgendwie in Belgien getroffen haben müssen.
Neben Pierre Rapsat haben auch die Wallonen Joseph Reynaert als auch Philippe Lafontaine ihr Land bei der Eurovision vertreten (1988 bzw. 1990), belegten aber unverschuldet (will sagen: trotz guter Lieder) jeweils hintere Plätze:
http://www.youtube.com/watch?v=8rTNjQitGVc ("Laisser briller le soleil" - mit freundlicher Unterstützung der Brüsseler Metro)
Andere Eurovisionspleiten der Belgier waren allerdings hochverdient. 2000 beispielsweise sang Nathalie Sorce ihr "Envie de vivre" derart entsetzlich, dass es im Internet tatsächlich nirgends zu finden ist, und das will etwas heißen. Eine Internetlegende wurde jedoch der belgische Beitrag 1973. Keine Ahnung, wer damals beschloss, die Flamen Nicole & Hugo zum Grand Prix zu schicken, aber er muss Humor gehabt haben.
Zwar konnte Belgien diesen Auftritt bis ins Jahr 2000 nicht mehr unterbieten, aber was sie 1980 und 1983 einsendeten, war zwar nicht unbedingt schlecht, aber für damalige Zeiten etwas zu schräg, um bei der konservativen Eurovision bestehen zu können:
(die Wallonen von "Telex" mit "Eurovision" bei der Eurovision)
http://www.youtube.com/watch?v=JRfve3wHYUY (die Flamen von "Pas de deux" mit "Rendez-vous")
1986 gewann Belgien dann sogar, allerdings mit einem konservativen Vortrag, bei dem man auf den Niedlichkeitsfaktor setzte.
(Sandra Kim mit "J'aime la vie"):
In den letzten Jahren reißt Belgien genausowenig bei der Eurovision wie alle anderen westeuropäischen Länder auch. 2006 hat es das flämische Fernsehen selbst allerdings regelrecht vertrottelt. Den nationalen Vorentscheid hatte nämlich Kate Ryan (eigentlich Katrien Verbeek aus Tessenderlo, Tochter niederländischer "Einwanderer") mit einem Act gewonnen, der international durchaus seine Fans fand:
Diese Performance kam eigentlich gut an und Belgien wurde zu den Favoriten gezählt. Aber dann meinte irgendein wohl volltrunkener Choreograph des flämischen Fernsehens, man müsse die Choreografie des Liedes für den Grand Prix in Athen noch mal komplett umgestalten, und was dabei herauskam, war diese Katastrophe:
http://www.youtube.com/watch?v=uGDFbagMDPc
Aber das wallonische Fernsehen macht es zumeist auch nicht besser. 2007 wählte es die englisch singende Gruppe KMG aus, die irgendwo so wirkte, als würde sie jemanden imitieren wollen, aber nicht so genau wissen, wen:
Das nächste Mal schreibe ich wieder gute Musik!
Daniel, der morgen wieder arbeiten muss und sich gerade fragt, wo er heute noch gute belgische Schokolade herbekommt