Erste Hilfe in Frankreich

Für alle Themen, die mit Frankreich in Zusammenhang stehen und die in keines der anderen Foren passen.
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edgard
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Mittwoch 17. Januar 2007, 22:21

Ein Kollege behauptete, daß es in F problematisch sein soll, Erste Hilfe zu leisten, da ein Helfer evtl. verklagt werden könnte.
In D besteht ja die Pflicht zur Hilfeleistung, und der Helfer ist auch staatlich unfallversichert.

Wie ist dies hier in F?

Dabei angemerkt: Ich würde so oder so nicht bei einem Unfall einfach vorbeifahren..,.

Edgard
ReneG
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Donnerstag 18. Januar 2007, 06:45

Das habe ich von Franzosen schon oft gehört, stimmt aber nicht. Es gibt auch in F den Begriff "unterlassene Hilfeleistung"/"non assistance à personne en danger", und ist strafbar.
Würde z.B. jemand eine Person in die stabiele Seitenlage verlegen, und dabei seine Verletzungen verschlimmern, kann er in F nicht verfolgt werden.
Franzosen sind irgendwie erste Hilfe Muffel. Dabei kann jeder freiwillig einen Kurs belegen (AFPS - Attestation de Formation aux Premiers Secours).

René (selbst obendrein auch noch Südfranzose!)
edgard
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Donnerstag 18. Januar 2007, 14:31

Hi René,

Danke für die Auskunft!
Leider ist auch in D die Hilfsbereitschaft nicht sonderlich ausgeprägt - trotz Erste-Hilfe-Kasten-Pflicht (darf nicht älter als 5 Jahre sein!) und obligatorischem "Sofortmaßnahmen am Unfallort" - Lehrgang vor dem Führerschein.

Leider sind meine Sprachkenntnisse noch sehr rudimentär, sonst würde ich mich auch hier gern beim Roten Kreuz engagieren.

Grüße nach S-F aus Montoir de Bretagne,

Edgard
edgard
Beiträge: 39
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Samstag 20. Januar 2007, 18:26

Nochmal eine Nachfrage - was gilt hier für die Absicherung bei Pannen oder Unfällen?
Ich weiß nur, das F-PKw keinen Verbandkasten mitführen müssen - wie ist das mit dem Warndreieck?
Gibt es besondere Regeln für Motorradfahrer?
ReneG
Beiträge: 25
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Sonntag 21. Januar 2007, 06:41

Das Mitführen eines Warndreiecks ist nur für Fahrzeuge über 3.5t Gesamtgewicht Pflicht.

René
edgard
Beiträge: 39
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Sonntag 21. Januar 2007, 18:40

Salut René,

so ähnlich hab ich mirs gedacht....

Ergo kann es dann auch - ausser dem Einschalten der Warnblinkanlage - nix weiter geben zum Absichern.

Na denn...

Danke für die Auskunft!

Edgard
edgard
Beiträge: 39
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Dienstag 8. Mai 2007, 19:03

Macht sich ein Ersthelfer evtl doch strafbar?

Die Frage steht immer noch imn Raum, eine Anfrage bei der französischen Botschaft in Berlin bisher ohne Antwort.

Habe nun endlich mal bei einer Blutspende in Toulouse mitmachen können (interessante Erfahrung... ) und bei der Gelegenheit nachgefragt (die sollten es eigentlich wissen...).
Antwort:
Ja, auch ein Ersthelfer/Laie kann angeklagt werden.
Wann und unter welchen Umständen ist allerdings nicht klar.

Hängt das evtl. damit zusammen, daß bei einem Vorfall mit Verletzungen die Polizei in F grundsätzlich hart vorgeht?

Die befragte Krankenschwester bei der Blutspende: "Absichern und melden, damit hat man seine Pflicht getan." - und in Ruhe zusehen, wie der Infarkt- Befallene vor sich hinscheidet, nachdem er seinen Herz-Kreislauf-Stillstand genommen hat...

Aber vielleicht kann die Frage ja von ARTE in der "Karambolage" endlich mal beantwortet werden - ich habe gerade angefragt.

Edgard
ReneG
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Mittwoch 9. Mai 2007, 06:53

Der folgende Artikel fasst die Sachlage recht gut zusammen:

http://www.secourisme-pratique.com/page ... assist.htm

Ich denke es ist in F nicht viel anders als in Deutschland:

- einem Laien (auch wenn er in irgendwann einmal einen erste Hilfe Kurs absolviert hat), wird man nichts vorwerfen, wenn er beim Anblick schwerster Verletzungen und abgerissener Gliedmassen keiner Handlung fähig ist.

- demselben Laien wird man auch nichts vorwerfen, sollte er bei einer ungeschickten Herzmassage ein paar Rippen brechen.

- die Handlungen des Helfers müssen im vernünftigen Verhältnis zu den Verletzungen sein. Also, nicht die Hand abhacken nur weil der kleine Finger gebrochen ist.

- sollte der Helfer allerdings ungeschickterweise die Brille des Opfer zertreten, kann er dafür haftbar gemacht werden (aber dagegen ist man in der Regel versichert).

Ein juristisches null-Risiko gibt es nirgends.

René
wolle
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Mittwoch 9. Mai 2007, 14:11

Danke René
fuer deine sachliche Information und den Link, der sicher aussagekraeftiger ist als die Antwort einer Krankenschwester vom Blutspendedienst.

Mag sein das die Franzosen Muffel im absolvieren von erste Hilfe Kurse sind. Daraus aber auf fehlende Hilfsbereitschaft der Franzosen bei einem Unfall zu schliessen, waere falsch!
Das liegt einfach daran das es in Frankreich menschlicher zugeht. Egal ob der Kleine mit dem Raedchen stuerzt oder der Grosse beim Joggen hinknallt... sofort ist jemand da um zu helfen, zu troesten.
Bei den paar Unfaellen die ich bis jetzt hier gesehen habe wurde sofort angehalten und geholfen, ohne das vorher ueber die Rechtslage diskutiert wurde.
Ich glaube sogar, dass die Gefahr in Deutschland unbeachtet im Strassengraben zu verbluten hoeher ist als in Frankreich.

Vor einem Jahr um diese Zeit hatte ich einen Unfall mit dem Moto. Hab mich in der schmalen Durchfahrt in einem Doerfchen elegant hingelegt...direkt vor dem einzigen Restaurant :)
Obwohl ich sofort aufgestanden bin und alle sahen das es nicht schlimm war, haben sie ihr Essen stehengelassen :) und kamen angelaufen "ça va, ça va?"
Bis auf ein paar unbedeutenden Schuerfwunden hatte ich ein Problem mit dem linken Handgelenk das zusehends dicker wurde.
Die Wirtin bestand darauf mir einen Verband zu machen den sie mit 90% Alkohol durchtraenkte waehrend zwei Franzosen versuchten mein Moto wieder flott zumachen.
Ich weiss nicht ob die Wirtin einen erste Hilfe Kurs besucht hatte, aber waehrend der Weiterfahrt trat ein enormer Kuehleffekt auf und der nachbehandelnde Arzt war sehr zufrieden mit der Erstversorgung.

Also liebe Frankreichreisende... lasst euch nicht irritieren... wobei es sicher immer noch das beste ist, keinen Unfall zu haben :)

salut wolle
edgard
Beiträge: 39
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Wohnort: Montoir de Bretagne / Woltorf (Peine)

Mittwoch 9. Mai 2007, 15:49

Hi René,
danke für den Link - das hilft wirklich weiter.
Unser Dienststellenleiter wird das nun auswerten und übersetzen, und damit sind meine Kollegen sicherlich beruhigt.

Als San-Helfer weiß ich, welche rechtlichen Fallstricke es auch in D hierbei gibt - und dann wird es auch eine Krankenschwester hier wissen, denn schon der Stich mit der Nadel in die Vene ist rechtlich gesehen eine Körperverletzung... und daher darf ich es auch nicht - selbst mit meiner Ausbildung darf ich höchstens dem Arzt oder Rettungssani (in Notfallkompetenz) die aufgezogene Injektion reichen.

Ein Tip (hat internationale Gültigkeit): Wenn Du mal EH leisten solltest, versichere Dich eines Zeugen, der evtl. bestätigen kann, daß Du den/die Verletzte(n) weder unsittlich berührt oder der Brieftasche geleert hast...
wolle
Beiträge: 552
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Mittwoch 9. Mai 2007, 21:39

eigentlich ist im Link von René das Gesetz:

l'article 223-6 schon ziemlich aussagekraeftig...

Ich versuch mal ne Uebersetzung, weil ich weiss wie ausgelastet Dienststellenleiter sind... ;) und ich schon moechte das sich edgards Kollegen in Frankreich wohlfuehlen... :)

"Jeder, der ohne Risiko fuer sich und Dritte bei einem Verbrechen, der Verletzung einer Person, sich der unmittelbaren Hilfe freiwillig enthaelt, muss mit einer Haftstrafe von 5 Jahren und 75.000 € rechnen."

der Text wird durch folgenden Abschnitt ergaenzt:

"dasselbe gilt fuer Personen die ohne Risiko fuer sich und Dritte, Personen in Gefahr nicht persoenlich helfen oder fuer sie Hilfe anfordern"

Also, ich denke wie in Deutschland... oder besser? =)

salut wolle
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